Tag3 – 1. Wanderung
Hier sind wir nun und der eigentlich Urlaub kann beginnen. Vor 5 Jahren waren wir schon einmal hier zum Wandern und es war klar: hier geht man nicht nur einmal hin!
Ungefähr 100 km südlich von Turin liegt das Örtchen Dronero. Von hier führt eine kleine Straße fast 50 km weit in ein Tal hinein. Das Valle Maira. Wie in vielen ländlichen Gegenden, wanderten auch hier die Leute aus in die Städte. Vor fast 30 Jahren begannen einige verbliebene Einwohner damit, Häuser zu renovieren, kleine aber feine Unterkünfte zu erschaffen, Wanderwege auszuschildern und zu pflegen. Die Wanderwege sind oftmals Transportwege früherer Zeiten und führen durch traumhafte Natur mit herrlichen Aussichten in den piemonteser Alpen. Nahe der Grenze zu Frankreich gibt es hier eine ganz hervorragende Küche aus regionalen Zutaten und hoher Qualität.
Vor 5 Jahren wanderten wir auf dem Percorsi Occitani von einer Unterkunft dem Posto Tappa zur nächsten – das Sherpataxi, welches das Gepäck transportiert bietet einen angenehmen Luxus. In diesem Jahr haben wir uns für unsere 3 Lieblingsunterkünfte entschieden und bleiben immer ein paar Nächte, um Tagestouren zu wandern. Von leicht bis ganz anspruchsvoll gibt es so viele Touren, die man gehen kann, dass wir spontan entscheiden können und auch Zeit zum Lesen, Denken, Schreiben und Seele-baumeln-lassen haben werden.
Das erste Drittel findet in Chiappera statt, das ist die letzte bewohnte Siedlung des Tals. Das alte Schulhaus „La Scuola“ wurde liebevoll renoviert und bietet Wanderern eine Unterkunft mit herrlicher Aussicht. Wir wachen morgens im ehemaligen Klassenzimmer 1c auf und sehen vom Bett aus die Berge.

Stell Dir vor, du öffnest morgens die Augen und das erste, dass du siehst ist dieses Bild.
DANKBARKEIT
Heute soll es gemütlich werden. Das Frühstück gemeinsam mit belgischen, französischen und italienischen Wanderern als Start in einen herrlichen Urlaubstag.
Beim Morgenspaziergang durch die kleinen Gassen (man kann mit dem Auto nicht bis zur Schule fahren, sondern stellt es auf dem großen Parkplatz außerhalb der Siedlung ab) sammle ich (Petra) dieses Glücksgefühl, das sich beim Anblick von Häuschen aus Stein und Holz, von riesigen Bergen, vom moderigen Geruch in der kleinen Kapelle, beim Hören italienischer Wortfetzen und der Ruhe hier in mir breit macht.
Gestern hatten wir uns geschworen, dass wir heute gar nichts machen. Zum Trotz, wegen dem Stau. Bis kurz vor 12 Uhr halten wir uns an unseren Plan und haben „nichts“ gemacht. Dann beschließen wir, dass „nichts“ keine Option ist und wir wählen aus dem Wanderführer einen „leichten Talrundweg ohne besondere Steigungen“ aus, um uns einzuleben.
Wir starten Richtung Ausgang des Dorfes. Etwa 500m talwärts geht es rechts auf einem Pfad in den Wald. Da unser Zwischenziel weiter unten im Mairatal liegt, wundern wir uns ein wenig darüber, dass es die 1 Stunde meist nur bergauf geht. Vieles kommt uns bekannt vor. Wir laufen ja auch einen Teil der Strecke, die wir bei der 1.Etappe in 2017 liefen. Das muss passen, denn weiter unten trennt sich der heutige Weg vom Percorsi an einem markanten Punkt: Ein Parkplatz an einer Brücke. Tolle Pfade führen rauf und runter durch den Wald. Die Mittagshitze macht sich, wenn auch nur an Lichtungen, auch im Wald bemerkbar. Am Parkplatz ist die Beschilderung nicht eindeutig, doch nach kurzem hin- und her sind wir auf dem richtigen Weg nach unten. Unser Ziel, das Locanda Mistral, ist auch ein Posto Tappa des Percorsi und wir hoffen auf eine kleine Stärkung bei unserer Rast. Dort angekommen laufen wir Richtung Terrasse und die Kellnerin zeigt uns nach kurzem Gespräch mit Petra einen schönen Platz.





Der Kellner kommt, ich (Mario) bin etwas verwirrt, denn er möchte für ein Mittagessen eindecken. Ich sage ihm freundlich, dass wir nur Kaffee und Kuchen möchten und das von ihm vorbereitete Besteck nicht benötigen. Jetzt scheint er etwas verwirrt, nimmt die Sache wieder mit und erklärt, er würde dann die Kollegin nochmals bei uns vorbei schicken. Ich nickte freundlich und dankte ihm.
Voller Freude, dass wir endlich am Mistral angekommen sind, suchen wir nach einem schattigen Plätzle. Ich (Petra) freue mich auf einen herzhaften Snack, irgendwas italienisches mit Tomate, auf jeden Fall etwas salziges nach all der Schwitzerei. Die Bedienung fragt, ob wir denn essen möchten und als ich „ja“ sage, gibt sie uns einen schönen Tisch auf der Terrasse im Schatten. Um so verwirrter bin ich, als Mario den Kellner mit dem Besteck wegschickt und ihm erklärt, wir wollen Kaffee und Kuchen.


Was alles vorkommen kann, wenn zwei Köpfe an eine Rast denken und diese in Gedanken völlig unterschiedlich gestalten. Es wäre jetzt peinlich, den Kellner wiederum mit Eindecken zu beauftragen und wir bleiben bei Marios Gedanken Kaffee und Kuchen.
Nach der Rast, schauen wir nach dem Weg, der mitten im Dorf nach oben auf den Percorsi Occitani führt und uns zurück nach Chiappera bringt. Beim ersten Blick wird klar – wieder einige Höhenmeter sind zu bezwingen. Beim Aufstieg, überwiegend in der Mittagssonne, kommen wir ins schnaufen und schwitzen. Als dann die Höhe bezwungen ist, geht es relativ gerade, entlang des Berges Richtung La Scuola. Ein Blick zurück ins Tal, den wir immer wieder genießen, zaubert uns Zufriedenheit und auch ein wenig stolz ins Gesicht. Am Ende sind es 11,5km und 580 Höhenmeter. Im Valle Maira gibt es eben andere Definitionen was Höhenmeter betrifft.
Da wir ja gestern als letzte zum Abendessen kamen, sitzen wir heute um Punkt 19:00 Uhr im Restaurant. Es geht auch gleich los. In 4 Gängen bekommen wir unglaublich leckere Speisen serviert. Diese Kombination aus anspruchsvollen Wanderungen und Verwöhnprogramm am Abend ist eine der Besonderheiten hier im Mairatal.