Tag4 – 2. Wanderung
Es stehen für heute so viele verschiedene Wanderungen zur Auswahl, dass wir ewig hin und her überlegen. Man könnte den Monte Castello umrunden oder zu den Wasserfällen von Stroppio laufen oder oder oder. Schließlich entscheiden wir nach dem Frühstück, dass wir eine der Lieblingsrouten des Autors unseres Wanderführers gehen.
Genau betrachtet hätte uns schon gestern auffallen können, dass die Einschätzungen von „leicht, mittel und schwer“ minimal von der Realität abweichen. Gestern war es eine leichte Tour. Heute eine mittlere … aber dazu später mehr.
Mit einem Vesper, das es von der Scuola für die Hausgäste nach Wunsch gibt und „Valle Meira- Caps“ gegen die Sonne geht es los mit dem Auto zum 2 km entfernten Parkplatz. Strecke auf Komoot geladen, Garmin-Uhr vorbereitet, Start und los. Vor uns liegen angeblich 12,6 km. Charakter der Strecke: nur eine kurze kräftige Steigung, schöne Bergseen, Hochebenen an der französischen Grenze und tolle Ausblicke.
Der erste Kilometer führt uns steil in der prallen Sonne bergauf. Also steil denken wir, während des ersten Kilometers. Doch die Definition des Wortes „steil“ wird sich im Laufe des Tages noch verändern. Der zweite Kilometer bergauf unterscheidet sich vom ersten Kilometer nicht durch das Maß der Steigung, sondern nur dadurch, dass es manchmal schattig ist. Wir erreichen den ersten Punkt, von dem aus man einen Bergsee sehen kann und eine wunderschöne Ruine, kleine Fotopause fröhlich-optimistische Stimmung.



Nun wird die Steigung etwas weniger, um im nächsten Moment wieder mehr zu werden. Wir genießen herrlich Ausblicke auf die umliegenden Berge erreichen eine Arena, rings um uns herum nur Berge. Da Petra zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hat, dass wir auf unserer Runde gefühlt jeden davon noch erklimmen werden findet sie auch noch alles super. Wieder geht es weiter mal steiler, mal flacher, aber immer bergauf und die Wege sind steinig und anstrengend zu gehen. Sehr lustig, dass Mario die GPS-Daten der Route hat und Petra keinerlei Vorstellung davon, wo es lang geht. Im Nachhinein betrachtet ist das auch gut so, denn von Berg zu Berg lässt Mario Petra in dem Glauben, dass es jetzt der letzte Anstieg ist.
Wir erreichen die Grenze zu Frankreich, gehen hier ein Stück entlang. Natürlich bergauf. Vorbei an weiteren Bergseen, Ausblicke in weitere Bergpanoramen. Die Sonne scheint unermüdlich und der Wind ist manchmal so stark, dass wir die Caps abnehmen, damit sie nicht davonfliegen (keine Lust, so ner Mütze hinterherzulaufen, man muss Kräfte schonen). Wenig andere Wanderer sind hier unterwegs. Ein französische Familie hat den gleichen Weg wie wir, ein italienisches Pärchen läuft die verkürzte Version und wir treffen sie immer mal wieder.



Endlich ist die Strecke ein Stück „fast eben“ und wir freuen uns, es geschafft zu haben. Leider ist die Freude von kurzer Dauer. Wieder ein Berg. Als auch der geschafft ist, ist Petra sich ganz sicher, dass sie nie mehr in ihrem Leben freiwillig einen Berg hochläuft. Und siehe da, schon glaubt Petra zu wissen, dass der Weg nun einen großen Bogen nach rechts macht und uns talwärts zurück zum Anfang bringt, da erklärt Mario, dass man nun noch diesen einen Berg hoch müsste, um dann auf dem Bergkamm zurück zulaufen. Er überzeugt sie schließlich mit dem Argument, dass dies unsere letzte schwere Tour in diesem Urlaub ist und wir daher nochmal alles geben. Wir beide kämpfen uns den Berg hoch, Schritt für Schritt, langsam, nur nicht aufhören. Als Metapher wie im richtigen Leben, wenn du vorsichtig immer weiter läufst, einen Fuß vor den anderen, kommst du irgendwann oben an. Gut – die Metapher klingt super, Problem ist nur, dass dort, wo Petra glaubte, den Gipfel zu sehen, leider der zweite Teil des Berges beginnt. Der zweite Teil ist so steil, dass man sich anseilen müsste, wenn es noch steiler wäre. Petra fängt an, jedes gegessene Stück Schokolade der letzten 10 Jahre zu hassen, jedes Gramm zu viel ist jetzt echt eine Last.
Hätte man härter trainieren sollen? Gestern war sie beim Laufen noch so stolz auf ihren Trainingszustand – heute ist es echt hart.
Irgendwann und irgendwie erreichen wir den Gipfel der 2701 Meter über NN hoch ist. Es hat sich gelohnt. So verrückt es sich anhört: jetzt tut nichts mehr weh, die Schinderei ist vergessen. Über 7 Kilometer bergauf werden nun gefolgt von 7,5 km bergab. Auch das zunächst super steil, aber das ist uns egal. Wir konzentrieren uns auf den schwierigen Weg, um nicht zu fallen, denn das Geröll und die Steine sind manchmal heimtückisch.



Die Italienischen Wanderer kreuzen wieder unseren Weg, sie haben den Gipfel ausgelassen und weisen uns auf Steinböcke hin, die weit oberhalb von uns stehen und uns zu beobachten scheinen. Wir versuchen, Bilder zu machen, da wir keine Kamera, sondern nur Handy dabei haben, wird das mit der Tierfotografie nichts. Schnecken wären ein ideales Motiv.
Weiter geht´s talwärts, man fühlt sich beobachtet – wir wissen, dass sie da sind, denn wir haben ihre Unterkünfte schon geraume Zeit immer wieder gesehen, mal hört man sogar ihre Pfiffe, aber wir sehen lange keines: und endlich geht es los. Wie kleine Kobolde, die sich einen Spaß daraus machen, sich möglichst nur so kurz zu zeigen, dass keiner ein Foto machen kann, flitzen nun immer wieder Murmeltiere um uns herum. Wir stehen und beobachten sie aus der Ferne und freuen uns darüber, sie „gefunden“ zu haben. Auf dem letzten Kilometer, der unanstrengendste der ganzen Route, steht plötzlich ein Reh wenige Meter vor uns. Und als ob es die Kameraphobie ihrer tierischen Kollegen wieder gut machen will, dürfen wir ein Foto machen, bevor es sich verzieht.



In der „Scuola“ angekommen müssen wir vor dem Abendessen ein kleines Nickerchen machen. 14,8 Kilometer mit 1218 Höhenmeter haben uns doch ein bisschen müde gemacht.
Um La Scuola zu beschreiben, reicht eine Erwähnung in einem Blogbeitrag nicht. Hier schreiben wir am Ende unseres Aufenthaltes einen separaten Beitrag. Zum einen ist das gesamte Team mega freundlich und hilfsbereit. Auf der anderen Seite ist die Kulinarik der Hammer. Was Fabricio mit seinem Team in der Küche für die Gäste zaubert ist außergewöhnlich. Ihr könnt sicher sein, dass die Speisen nicht nur toll aussehen. Alle Schmerzen und Anstrengungen des Tages fallen direkt beim servieren der Vorspeise ab.




Herzlichen Dank Fabricio und dem gesamten Team! Grazie Mille per il cibo delizioso!