Tag6 – 4. Wanderung
Oder besser gesagt zwei Spaziergänge. Doch alles der Reihe nach.
Auch heute wird der Sonnenaufgang nicht fotografiert, beim vorsichtigen Blick aus dem Bett in die Berge stellen wir fest, dass dort oben Wolken sind und sich das nächtliche Aufstehen nicht lohnt. Also schnell nochmal umgedreht, fast verpassen wir den Spätaufstehertermin zum Frühstück um 8.30 Uhr. Die anderen Wanderer sind alle schon am Start, aber bei uns machen sich diverse Muskelgruppen in Oberschenkeln und Hinterteilen bemerkbar und bitten um Gnade.
Da man seinen Körper achten muss, starten wir eine sehr gemütliche Runde am Bach entlang, ohne nennenswerte Steigung. Heute bleibt es zunächst bewölkt, ein Thermometer an einem Haus zeigt nur 26 Grad an, sehr angenehm. Auf einem kleinen Hügel machen wir ein Picknick im Gras bevor wir uns dann wieder auf den Rückweg machen. Lesen und Faulenzen sind dann die Hauptaufgaben des Nachmittags bevor Petra wieder Langeweile bekommt und Mario überredet, noch eine kleine Runde zu laufen.



So machen wir uns an diesem Tag zum zweiten mal auf, eine kleine Runde mit ein paar Höhenmetern, durch den Wald, denn mittlerweile hat die Sonne ihre volle Kraft eingesetzt, um die Wolken wieder zu vertreiben. Laut unserem Routenplaner muss der Weg irgendwo dort oben rechts abzweigen, um uns dann zu einem Campo zu bringen, an dem es kühle Getränke gibt. Ohne diese Aussicht hätte Petra es wohl kaum geschafft, Mario ein zweites mal zum Laufen zu bewegen. Tatsächlich finden wir ganz weit oben im Wald die Abzweigung und es geht wieder abwärts. Der Pfad führt durch Lärchenwäldchen und über kleine Lichtungen und schon ist „Campo baso“, unser Ziel, in Sicht. Der Weg wird immer undeutlicher zu erkennen und endet schließlich ca 30 Meter vor dem Ziel. Da stehen wir nun und glotzen blöd. Die 30 Meter sind touristenfreundlich ausgestattet mit Felsen, Steinen, Brombeeren und Brennnesseln. Schön, dass wir kurze Hosen anhaben. Am Campo baso befindet sich ein Campingplatz und wie wir da so stehen und die Strategie überdenken, stellen wir fest, dass dort Menschen vor Wohnmobilen in ihren Liegestühlen liegen und offensichtlich Spaß daran haben, uns zu beobachten. So, wenn die denken, wir drehen um, dann kennen die uns schlecht. Stolzerhobenen Hauptes kämpfen wir uns durch den Brennnessel- und Brombeer-Dschungel und versuchen, dem Publikum keinen Grund zur Schadenfreude zu geben.



Als wir den Platz erreicht, den Kiosk fest im Blick erhoffen wir uns nun die kühle Belohnung. Wir betreten den Raum mit der Bar, nur ein Ehepaar steht vor uns am Tresen. „Moment, was ist denn hier los?“ sind wir doch seit Tagen nur entspannte und glückliche Menschen gewöhnt, schlägt uns hier gleich eine ganz andere Stimmung entgegen. Der Wirt wird hier gerade in einem nichtakzentfreien Englisch darüber aufgeklärt, dass it is not posible dass er hier am Campingplatz kein Restaurant hat. Was erwarten sich die Leute denn jetzt? Denken sie, dass er jetzt losrennt, einen Kochtopf kauft und für sie kocht? Während die beiden ihre Beschwerden unaufhörlich über die Theke werfen, lokalisieren wir den Akzent. Hannover, ja, das muss es sein, diese Frau aus der Bundesregierung, Anna oder so, die spricht genau so.
Wir glauben nicht, dass es hier schnell zu einem Ende kommt. Außerdem macht sich Angst breit, der Wirt könnte merken, dass wir aus dem gleichen Land kommen, dadurch schwinden unsere Chancen, überhaupt noch von ihm bedient zu werden. Unbemerkt machen wir uns durstig vom Acker. Zurück in der Scuola nehmen wir statt dem kalten Getränk einen Cappucchino. Beim Abendessen sitzen wir mit kribbelnden Beinen – unser Nachbar Hans sagt immer: „Brennnessel ist gut gegen Rheuma“ – da wir gar kein Rheuma haben, reden wir uns jetzt einfach ein, dass es unsere Beine für Morgen fit macht.